"Everyday" - Siemens

Neue Wege in der internen Unternehmenskommunikation: Bei Siemens erkunden Mitarbeiter eine virtuelle Stadt und lösen komplexe Alltagsaufgaben. Der „Blick über den Tellerrand“ des eigenen Tuns soll die Lernerfahrungen der Nutzer unterhaltsam und immersiv gestalten. Ein Gespräch mit „Everyday“-Entwickler Henning Westerwelle von der Digitalagentur Curious Company und Franz Linner, Employee Communications Specialist und globaler „Everyday“-Projektleiter bei Siemens.


© Franz Linner
Franz Linner (Siemens)
© Curious Company
Henning Westerwelle (Curious Company)

"Everyday"

Geschrieben von Elisabeth Hussendörfer, Freie Journalistin

Veröffentlicht am 16.09.2024

 

Herr Linner, Herr Westerwelle, bei „Everyday“ interagieren die Mitarbeiter mit verschiedenen Charakteren, die mit alltäglichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Man bekommt zum Beispiel eine WhatsApp-Nachricht von Zoe, die gerne Auto fahren würde, aber keins bekommt…



Henning Westerwelle: … und dann helfen Sie ihr als Nutzer, das komplexe Problem zu lösen. Immer begleitet vom Siemens Bot, einer sympathischen KI und diversen anderen Charakteren – der charismatischen Bürgermeisterin Goodway etwa. So werden aus komplexen Themen kleine, persönliche Alltagsgeschichten. 

Spielerisch lernen anhand emotionalisierter Themen, darum geht es, richtig?

Henning Westerwelle: Ja, das Motto ist Gamification oder, wie wir auch sagen, „Game-based Learning“.



Stichwort Lernen: Inwieweit spielt die berufliche Weiterbildung eine Rolle?


Franz Linner: Wir reden hier nicht über Upskilling im klassischen Sinne. Im Vordergrund steht das Verstehen des Unternehmens. Das Connected-sein. Siemens ist mit seinen innovativen Lösungen und den Produkten im 21. Jahrhundert zu einem der stärksten Motoren der digitalen Transformation weltweit geworden. Doch manchmal vergisst man als einzelner, was da alles von links und rechts kommt. 



So wie der Verbraucher, der beim Namen Siemens zuerst an Waschmaschinen denkt?



Franz Linner: Vielleicht ein bisschen. Von Waschmaschinen haben wir uns ohnehin schon länger weiterbewegt. Aber auch die klassische Elektrifizierung und Automatisierung sind längst nur noch ein Teil des Geschehens. Indem wir mit neuen Technologien wie KI oder Edge Computing darauf aufbauen, bewegen wir noch mehr. Das ist komplex, was da in so einem Unternehmen mit seinen teils sehr speziellen Teams weltweit geleistet wird. Welche Rolle spielt der einzelne in diesem Prozess? Je besser das verstanden wird, desto eher gelingt es, durch die Verbindung von digitaler und realer Welt einen Mehrwert zu schaffen.


Henning Westerwelle: „Everyday“ ist eine fiktive Mini-Stadt, die zeigt: Mein Beitrag als „Siemensianer“ endet nicht mit mir. Und schon gar nicht an meinem Schreibtisch beziehungsweise Arbeitsplatz. Ob man nun konkret eine Ladestation für E-Autos befüllt, einen Zug repariert oder eine Beinprothese herstellt – am Ende geht es darum, das Leben lebenswerter machen. 

Herr Linner, Sie sprachen eben von „Upskilling im klassischen Sinne“. Was verstehen Sie darunter?



Franz Linner: Trainings, in denen ich Skills und Techniken erlerne. „Everyday“ will dagegen in der aktuellen Ausgestaltung weniger konkrete Inhalte oder Fertigkeiten vermitteln. 

Sondern?

Es geht um die Motivation zu lernen, weil man versteht, wohin die Reise geht. Ich sag mal so: Das ist eher sowas wie die Basisarbeit. Wir wollen, dass Mitarbeiter sich dann im nächsten Schritt motiviert fühlen, Skills zu suchen. Eben, wenn durch das Big Picture verstanden wird: Welche Art von Upskilling brauche ich?



Henning Westerwelle: „Engagement – das war in der Entwicklung des Spiels ein Keywort. Die Leute sollen sich aktiviert fühlen und emotionalisiert werden.



Franz Linner: Stimmt, der Worst Case ist ja das PDF, das an alle 320.000 Mitarbeiter weltweit verschickt wird: „please read“. Fünf Seiten Text, ein paar Fotos… Machen wir uns nichts vor: Ob sie es nun lesen, oder gleich bleiben lassen - es wird sie nicht sehr bewegen.



Henning Westerwelle: Für eine gute Aktivierung mussten wir tiefer in die Trickkiste greifen. Stichwort Motivation: Da ist schon viel gewonnen, wenn die Leute auf den Link klicken und sich das anschauen. Ab da messen wir die Nutzungsdauer.



Und was messen Sie?



Franz Linner: Die Nutzungsdauer von „Everyday“ ist hoch. Im Vergleich zu dem, was wir sonst rausschicken, sogar sehr hoch. Beim klassischen internen Artikeln oder auch bei Videos sind wir bei ein bis drei Minuten. In den ersten Monaten nach dem Start von „Everyday“ waren wir bei 9 bis 10 Minuten Nutzungsdauer pro Spieler und Visit. Auch das Feedback in den Kommentaren und teilweise direkt an mich war überwältigend. Schon zwei Wochen nach dem Start im September 2023 haben 22.000 Mitarbeiter mit der Kampagne interagiert.

Henning Westerwelle: „Everyday“ ist vielschichtig und immersiv, die User tauchen komplett ein. Das sorgt für Emotionalisierung und Bindung. Vereinfacht: Die „Simensianer“ sehen, was ihr globales Handeln und die globalen Produkte von Siemens bewirken. Wie das Leben dadurch lebenswerter wird, wie gesagt. Emotionalisierung – das klingt groß, ich weiß. Aber in diesem Kontext darf das sein, finde ich.



Wird „Everyday“ in der Unternehmenswelt eigentlich aufmerksam beobachtet?



Henning Westerwelle: Die kurze Antwort ist: Ja. Wird es.



Und die lange Antwort?



Henning Westerwelle: Wir haben durchaus bereits weitere Anfragen. Schauen Sie, wir haben einen spannenden Case geschaffen. Haben für ein großes, internationales Unternehmen ein Problem gelöst, vor dem sich auch andere große internationale Unternehmen finden. 

Der Fachkräftemangel?

Franz Linner: Die Transformationsbereitschaft würde ich sagen. Aber ja, im Endeffekt übersetzt sich das in das Thema Fachkräfte. Wir zählen auf das Know-How unserer Leute. Wenn wir eine neue Richtung einschlagen wollen, müssen wir sie mitnehmen. Wenn durch ein Format wie „Everyday“ die Kernbotschaft und Ziele eines Unternehmens verstanden werden, ist viel gewonnen. 

Henning Westerwelle: Was die Anfragen angeht, muss man sagen: Die Entwicklung eines Spiels wie „Everyday“ ist natürlich ein individueller, manufaktureller Prozess.

Franz Linner: Der bei uns definitiv weiterlaufen wird. Wir reden hier nicht von einer kurzen Kampagne, sondern von einem lebendigen Produkt. Im Moment ist „Everyday“ vor allem ein wichtiger Teil unseres Onboardings - neue Mitarbeiter können das Unternehmen auf diese Weise wunderbar kennenlernen. Aber das Potenzial dieser interaktiven Welt ist größer. Im kommenden Jahr planen wir eine weitere Konkretisierung in Richtung Strategie. Dazu wird auch viel stärker noch der Bereich des Enablement gehören.

 

 

© Curious Company
Everyday Hero
© Curious Company
Everyday